Von der Machtübernahme der Nationalsozialisten bis zur Wannsee-Konferenz 1942:
Chronologie der Judenverfolgung in Deutschland

Aktualisiert am 30.6.2022


Am 20. Januar 2022 jährte sich die Wannsee-Konferenz vom 20. Januar 1942 zum 80. Mal. Bei dieser Konferenz wurde der grausame Völkermord an der jüdischen Bevölkerung beschlossen.
Der Boden für die Judenvernichtung in Deutschland im 20. Jahrhundert wurde allerdings schon über Jahrhunderte vor allem durch die Institutionen Kirche vorbereitet, und einer der am meisten Wütenden war der Reformationsmönch und Theologieprofessor Martin Luther, der bereits das Niederbrennen der Synagogen, Einsperren der Juden in "Ställen" und die Todesstrafe forderte, sollten sie ihre Religion in der Öffentlichkeit ausüben.
Die Kirche war von daher auch in der Zeit der Weimarer Republik eine der Hauptorte für die Hetze gegen die jüdischen Mitbürger. So schrieb Hans Meiser, der spätere Landesbischof der evangelischen so genannten Bekennenden Kirche, zum Beispiel in seinem Gutachten
Die evangelische Kirche und die Judenfrage (dort auch die Quellenangabe) schon im Jahr 1926: "Es gilt hier der Grundsatz, dass die Treue gegen das eigene Volk eine ernsthafte Christenpflicht ist. Es liegt etwas durchaus Berechtigtes in der Forderung nach Reinhaltung des Blutes. So wenig wir Mischehen etwa mit naturalisierten Slaven gutheißen können, so wenig können wir Mischehen zwischen Deutsch-Stämmigen mit Juden billigen. Schon der religiöse Gegensatz sollte Christen die Eingehung einer solchen Ehe verbieten, wie denn auch unsere Kirche solche Ehen von der kirchlichen Trauung ausschließt ... Gott hat jedem Volk seine völkische Eigenart und seine rassischen Besonderheiten doch nicht dazu gegeben, damit es seine völkische Prägung in rassisch unterwertige Mischlingsbildungen auflösen lässt ... Darum können wir uns mit den völkischen Idealen weithin einverstanden erklären".
Zähneknirschend gestand er allerdings zu, dass das Gebot der Nächstenliebe auch ihnen gegenüber gelte, wörtlich:
"Mögen sie vielen unter uns noch so unsympathisch sein, mögen es uns manche Juden noch so schwer machen, ihnen mit rechter christlicher Liebe zu begegnen, es gehört mit zu den größten Proben christlicher Liebe, sie auch denjenigen Israeliten zu erzeigen, die uns durch Eitelkeit, Frechheit und Anmaßung herausfordern und beleidigen ... Auch die gewisseste Überzeugung, dass unserem Volk von Juden schon viel Schaden geschehen ist und noch fort und fort geschieht, entbindet uns nicht von der Pflicht christlicher Nächstenliebe auch gegen unsere jüdischen Volksgenossen. Der Kampf gegen das Judentum hat unter uns solche Formen angenommen, dass alle ernsten Christen förmlich genötigt sind, sich schützend vor die Juden zu stellen."
Doch auch das "förmliche" "Genötigt"-Sein zu einer "Pflicht" zum vermeintlichen "Schutz" blieb in der Kirche dann nur eine Worthülse. Und bekanntlich deuteten die mörderischen Inquisitoren früherer Jahrhunderte ihr Tun auch mit ihrer Nächstenliebe. Bereits 1921 veröffentlichte sein lutherischer Amtsbruder Pfarrer Wilhelm Auer sein Buch
Das jüdische Problem, in dem er bereits offen zum Boykott jüdischer Geschäfte aufrief. Das stand am Anfang, am Ende kamen die Gaskammern.

Lesen Sie nachfolgend unter dem Motto "Wehret den Anfängen!" skizzenartig nur einige Beispiele von dem, was sich in Deutschland im Zeitraum von 1933 bis 1942 ereignete, bis die Politiker, darunter bezeichnenderweise ein Mann namens Martin Luther, Unterstaatssekretär des Außenministeriums, eine "endgültige" Lösung dieses "Problems" beschlossen.
Die Fakten sind der Ausgabe
Evangelische Kirche, Judenverfolgung, Holocaust und Krieg entnommen, wo sie auch die Quellenangaben finden. Lesenswert auch die Ausgabe Die katholische Kirche und der Holocaust.
Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Deutschland im Jahr 1933 bestand die Bevölkerung aus 62,7 % Evangelischen, 32,5 % Katholischen, 0,77 % Juden und ca. 4 % anderen, entsprechend war der Protestantismus von der Religion her die stärkste prägende Kraft.

Wehret den Anfängen !

1933

- Der Boykott jüdischer Geschäfte wird von der Kirche befürwortet
- Hausverbot für jüdische Richter im preußischen Justizministerium
- Juden haben keine Zugang mehr zum öffentlichen Dienst
- Die Krankenkassen bezahlen keine Dienste jüdischer Ärzte mehr

- Die Anzahl jüdischer Studenten wird durch eine Quote begrenzt
- Jüdische Honorarprofessoren und Notare werden entlassen
- Öffentliche Bücherverbrennung von jüdischen Büchern

- Arzneien jüdischer Hersteller dürfen nur noch verordnet werden, wenn es keine gleichwertigen Medikamente anderer Hersteller gibt
- Evangelische Kirche begrüßt „
eine gesetzliche Reduzierung des nach dem Weltkriege übermäßig gewordenen Anteils des jüdischen Elements“
- Evangelische Kirche entlässt jüdischstämmige evangelische Mitarbeiter
- Verbot von sportlichen Wettkämpfen gegen jüdische Sportler
- Überall werden Verzeichnisse jüdischer Geschäfte angelegt
- Ausschluss der jüdischen Mitglieder aus allen Vereinen
- Die evangelische Kirche gibt dem Staat das Recht, die
rechtliche, politische, wirtschaftliche und soziale Gleichstellung der jüdischen Bürger aufzuheben
- Erste Städte untersagen den Zuzug von jüdischen Bürgern
- Immer mehr Zeitungen weigern sich, Anzeigen jüdischer Firmen zu schalten

 1934

- Jüdische Medizin- und Jurastudenten werden nicht mehr zum Examen zugelassen
- Die evangelische Kirche öffnet ihre Bücher für rassekundliche Recherchen
- Kirchliche Anweisung für alle Pfarrämter, der NSDAP und allen ihren Mitgliedern bei Ahnenforschung zu helfen
- Nationalsozialistische Anwälte dürfen keine Juden mehr vertreten
- Juden werden nicht mehr zur Apothekerprüfung zugelassen

1935 / 1936

- Zulassungsbeschränkungen für jüdische Zahnärzte
-
Jüdischen Schülern dürfen keine Preise und Auszeichnungen verliehen werden
- Juden dürfen keine Offiziere der Wehrmacht mehr sein.
- Juden können nicht mehr in den Reichsarbeitsdienst eintreten
- Ausschluss der Juden von der Wehrpflicht
- Große Schilder- und Plakataktionen in Deutschlands Kommunen: "Juden unerwünscht".
Die Schilder stehen z. B. an Ortseingängen, an Eingängen von Badeanstalten, Cafes oder Geschäften,  an Theaterkassen oder Eingängen zu Konzertsälen
- Bekanntgabe: Ab 1936 werden an allen Schulen jüdische Schüler von den anderen getrennt
- Verbot der Eheschließung mit Juden (Nürnberger Gesetze)
- Verbot des Geschlechtsverkehrs mit Juden
- Juden dürfen keine deutschen Staatsangehörige bis 45 Jahren mehr im Haushalt beschäftigen
- Judenkarteien in Städten und Gemeinden sollen einen Überblick über alle im Land wohnenden Juden vermitteln
- Viele Studentenwohnheime nehmen jüdische Studenten nicht mehr auf
- Juden wird das Wahlrecht entzogen
- Juden werden aus allen öffentlichen Ämtern entfernt
- Auch „Mischlinge zweiten Grades“ dürfen keine „Voll-Juden“ mehr heiraten

1937

- Juden dürfen keinen Doktorgrad mehr erwerben
- Evangelische Theologieprofessoren fordern Reinhaltung deutschen Blutes
- Evangelische Pfarrer beurteilen Ehen zwischen Juden und Nichtjuden als Sünde

1938

- Verbot für Juden, sich neu als Ärzte oder Anwälte niederzulassen
- Der Einzelhandel verlangt Nachweise, dass Juden in den Lieferketten ausgeschlossen werden
- Alle Juden bekommen den Zusatznamen „Sara“ oder „Israel“
- Jüdische Grundstücke- und Immobilienagenturen werden enteignet
- Das Aufsuchen jüdischer Ärzte wird verboten
- Jüdische Testamente können für nichtig erklärt werden
- Auf allen Pässen von Juden wird ein großes „J“ angebracht
- Jüdische Geschäfte werden zunehmend als solche gekennzeichnet
- Reichspogromnacht: Die Synagogen werden angezündet. Der evangelische Landesbischof Sasse freut sich, dass dies an Luthers Geburtstag geschieht und veröffentlicht die Schrift Martin Luther über die Juden: Weg mit ihnen!
- Juden wird eine steuerliche Sühneleistung auferlegt
- Erste Gruppen von Juden werden unter Vorwänden verhaftet und in spezielle Lager deportiert
- Andere Gruppen von Juden müssen konzentriert in bestimmten Häusern wohnen
- Die deutschen Kommunen haben das Recht, Ausgangssperren für Juden jederzeit für verhängen
- Jüdische Haus- und Grundbesitzer werden enteignet

1939

- Erste Kommunen bejubeln sich als „judenfrei“
- Juden müssen alle Schmuckgegenstände und Juwelen an die Behörden übergeben
- Juden wird der Besitz von Rundfunkgeräten verboten
- Juden dürfen nur noch in Judenvierteln wohnen
- Juden dürfen die Speisewagen der Reichsbahn nicht mehr benutzen

1940

- Deportation von ersten Gruppen von Juden per Bahn nach Osteuropa
- Juden wird der Besitz eines Telefons verboten
- Alle Juden müssen eine „Sozialausgleichsabgabe“ bezahlen

 1941

- Juden bekommen geringere Lebensmittelzuteilungen, wenn sie aus dem Ausland Pakete bekommen
- Juden müssen einen Judenstern tragen
- Für das Verlassen ihres Wohnorts benötigen Juden eine polizeiliche Genehmigung
- Verbot freundschaftlicher Beziehungen mit Juden
- Erste Vergasungen mit Zyklon B in Auschwitz

1942

- Die Wannsee-Konferenz beschließt, alle Juden zu ermorden
- Noch verbliebene Juden müssen alle Pelze und Wollkleidung bei den Behörden abgeben
- Haustierverbot für alle Juden
- Die Massenvergasungen in Auschwitz und anderswo beginnen
- Ein Ministerialdirektor und Pfarrersohn übernimmt die Abwicklung des Einzugs des Vermögens der exekutierten Juden

 

Der Text  kann wie folgt zitiert werden:
Zeitschrift "Der Theologe", Hrsg. Dieter Potzel, Von der Machtübernahme der Nationalsozialisten bis zur Wannsee-Konferenz 1942: Chronologie der Judenverfolgung in Deutschland, Wertheim 2022, zit. nach theologe.de/judenverfolgung-in-deutschland, Fassung vom 30.6.2022

 

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